Ausführliche Biografie 1878–1971

Am 27. August 1878 ist Willi Geiger in Schönbrunn bei Landshut geboren. An der Akademie der Bildenden Künste in München studierte er als Meisterschüler Franz von Stucks Malerei und in der Klasse von Peter Halm Radiertechnik. In den ersten Jahren seiner künstlerischen Laufbahn wandte er sich eher der Grafik zu. Zahlreiche Mappen von Lithografien und Radierungen entstanden, z.B. Seele, 1903 und Liebe, 1904/05. Für letztere wurde er mit dem Graf-Schack-Preis der Münchner Akademie ausgezeichnet, der ihm eine Reise in den Süden ermöglichte. Zuerst führte es Willi Geiger nach Rom und Neapel, dann südlicher nach Tunesien, wo er beim Spielen im Casino viel Geld verlor und gezwungenermaßen die Heimreise antreten musste. 1906 ging er dann nach Paris, wo er Kontakt zu Albert Weisgerber und Auguste Rodin hatte, sowie nach Madrid, wo er sich mit Juan Gris anfreundete.

Nach München zurückgekehrt, arbeitete Willi Geiger ab 1907 als freischaffender Grafiker und heiratete die Bildhauerin Clara Weiß. 1908 wird das Einzelkind Rupprecht Geiger geboren. Die Verleihung des Villa-Romana-Preises führt zum einjährigen Aufenthalt in Florenz bis November 1910, gemeinsam mit Ernst Barlach.

Im Berlin der Kaiserzeit ab 1911 fand Willi Geiger durch seine tiefgründigen impressionistischen Exlibris-Entwürfe seine erste gesellschaftliche Anerkennung. Es entsteht u.a. der zweite Tauromachie-Zyklus. 1912 reiste er erneut nach Madrid, wo er sich unter dem Einfluss des südlichen mediterranen Lichts allmählich der Welt der Farbe näherte. Die erschütternden Erlebnisse seines Einsatzes im Ersten Weltkrieg steigerten jedoch seine Tendenz zu einem pessimistischen Weltbild, das sich in seinen expressionistischen Werken widerspiegelt. Während des Krieges zeichnete er die Folgen Unsere Helden (1914), sowie Neue Kriegsbilder und Epistel aus dem Felde (1917).

Nach Kriegsende nahm er ab 1920 eine Professur an der Münchner Kunstgewerbeschule an. 1923 malt er das Porträt Hans Pfitzner, das sich heute in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus befindet, und entschloß sich, Deutschland zu verlassen und einen Neuanfang in Spanien zu wagen. Von Madrid aus führten zahlreiche Reisen ins Landesinnere, nach Teneriffa und in die marokkanische Stadt Tetouan. Ein Schlüsselerlebnis zum Verständnis einer „seelischen Tiefe“ von Farbklängen war seine persönliche Entdeckung und Nachempfindung der Malerei El Grecos, insbesondere des Gemäldes Das Begräbnis des Grafen von Orgaz, das er kopierte. Spanien blieb jedoch ein Intermezzo und Willi Geiger kehrte 1925 nach Deutschland zurück. 1927 entstand das Porträt Heinrich Mann und ab 1928 wurde er zum Professor einer Malklasse an der Leipziger Staatlichen Akademie für Graphik und Buchkunst ernannt.

Die politischen Äußerungen Willi Geigers gegen Partei und Führer – Hitler bezeichnete er als den „größten Desperado des Jahrhunderts“ – führten zu politischen Denunziationen. Nach der fristlosen Entlassung aus seinem Lehramt im Sommer 1933, fand er am Chiemsee bis zum Jahre 1945 den Rückzugsort seiner „inneren Emigration“. Die intensive Betrachtung der sich vor seinen Augen erstreckenden Voralpen hielt er in den Aquarellen und Gemälden dieser Zeit fest. Diese veranschaulichen seine vollkommene Beherrschung der allmählich heller werdenden Farbpalette. Neben scheinbar friedlich wirkenden Blumenbildern studierte er in Porträts auch die hier lebenden Menschen. Zugleich aber rechnete er heimlich in zahlreichen Zeichnungen und Gemälden mit der Nazidiktatur, dem Krieg und dessen Folgen persönlich ab – Themen, die er in der Nachkriegszeit wieder aufgriff und weiter verarbeitete. Einige der 1943/44 entstandenen Zeichnungen, die seine kritische Haltung dem Regime gegenüber belegen, publizierte er dann 1947 in den Bilderfolgen Zwölf Jahre und Eine Abrechnung. Obwohl während des Naziregimes einige seiner Werke beschlagnahmt wurden, erhielt er kein Malverbot und führte Wandbilder aus, so z.B. die Schlacht der Römer gegen die Germanen an der Fassade der Prinz-Franz-Kaserne in Kempten im Allgäu, die leider in den 1970er Jahren zerstört wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Willi Geiger rehabilitiert und zum Leiter einer Malklasse an der Münchner Hochschule für Bildende Kunst ernannt. Erneut wandte er sich den Themen der menschlichen Tragödie zu, gleichzeitig verlieh er seiner Sehnsucht nach Harmonie in bukolischen Stillleben freudigen Ausdruck. Im hohen Alter malte er schließlich zahlreiche, zum Teil stark abstrahierte Blumenbilder, die die Synthese und Krönung seines künstlerischen Schaffens bilden. Vor einem dieser Werke sagte er im Alter von 75 Jahren:

"Allmählich fange ich an zu begreifen, was Malerei ist".

In diesen Gemälden gelang es dem Künstler, die positive Seite des Lebens – Vitalität und Freude – mit den Schattenseiten des menschlichen Seins – Bedrängnis und Melancholie – zu vereinen.